DGB Hessen-Thüringen

Hessische Gewerkschaften stellen juristisches Gutachten vor: Höhere staatliche Investitionen trotz Schuldenbremse möglich!

22.11.2024 | Der DGB Hessen-Thüringen hat heute gemeinsam mit der GEW Hessen und dem IG Metall Bezirk Mitte ein juristisches Gutachten vorgestellt, das Möglichkeiten für kreditfinanzierte Investitionen in die staatliche Infrastruktur aufzeigt, ohne dabei gegen die Schuldenbremse zu verstoßen.

Der DGB-Vorsitzende Michael Rudolph nannte als Motivation für das Gutachten den enormen Investitionsstau im Bereich der öffentlichen Infrastruktur: „Wir haben als DGB Hessen-Thüringen eindringlich vor den Folgen der so genannten Schuldenbremse gewarnt. Unsere Befürchtungen sind leider eingetroffen, und wir verzeichnen in vielen Bereichen der staatlichen Infrastruktur erhebliche Investitionsrückstände. Solange die Schuldenbremse nicht grundlegend reformiert oder abgeschafft wird, müssen alle bestehenden rechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, die öffentlichen Investitionen auch jenseits der staatlichen Haushalte zu erhöhen. Gerade jetzt ist das auch aus konjunkturellen Gründen angezeigt: Die Landesregierung will offensichtlich Ausgaben kürzen, was die Wirtschaftsflaute verstärken wird. Auch da können unsere Vorschläge helfen, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stärken und die Konjunktur in Schwung zu bringen.“

In dem von Professor Georg Hermes verfassten Gutachten werden beispielhaft vier konkrete Investitionsinitiativen auf ihre verfassungsrechtliche Zulassungsfähigkeit geprüft. Zwei dieser Investitionsinitiativen nutzen die Tatsache, dass so genannte „finanzielle Transaktionen“ im Rahmen der Schuldenbremse keine Berücksichtigung finden. So kann das Land Hessen selbst Kredite aufnehmen und einen Aufgabenträger, der seinerseits in werthaltige Gegenstände investiert, mit Kapital ausstatten bzw. sein Kapital aufstocken. So steht dem vom Land aufgenommenen Kredit ein werthaltiges Anteilsrecht des Landes gegen- über. Auf diesem Weg will der DGB zum einen das Eigenkapital der Nassauischen Heimstätte stärken, um so bei der Bereitstellung von sozialem, bezahlbarem, energieeffizientem, klimaneutralem und barrierefreiem Wohnraum voranzukommen.

Zum anderen wird die Einrichtung eines kreditfinanzierten EnergiewendeFonds durch das Land vorgeschlagen. Hierzu erklärt Maik Grundmann von der IG Metall Bezirksleitung Mitte: „Um die Energiewende voranzutreiben, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien, der Netzinfrastruktur und der Speichertechnologien beschleunigt werden. Für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, die Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sowie Batterieproduktion und -recycling sind rasche Investitionen erforderlich. Insbesondere die energieintensive Industrie würde von einer Beschleunigung der Energiewende profitieren. Das Land Hessen sollte daher einen Energiewende-Fonds Hessen einrichten.“

Die beiden anderen Investitionsinitiativen beziehen sich auf den Schulbau und die Sanierung von Schulen bzw. die kommunale Radverkehrsinfrastruktur. In diesen beiden Bereichen wäre es möglich, dass das Land Hessen Zins und Tilgung für entsprechende Investitionen übernimmt, für die die Kommunen Kredite bei der landeseigenen Förderbank WIBank erhalten.

Der GEW-Vorsitzende Thilo Hartmann strich die Notwendigkeit von höherer Schulbauinvestitionen heraus: „Wir gehen von einem Investitionsstau im Schulbereich von vorsichtig geschätzten fünf Milliarden Euro in Hessen aus. Es ist erwiesen, dass der bauliche Zustand von Schulen einen erheblichen Einfluss auf Lernverhalten und Lernerfolg hat. Deswegen fordern wir seit Jahren ein Landesprogramm, das Mittel für Sanierung und Neubau von Schulen bereitstellt. Das Gutachten zeigt einen rechtssicheren Weg auf, wie das Land den Kommunen als Schulträger hier im erforderlichen Umfang unter die Arme greifen kann.“

Genau wie der Schulbau könnten durch ein entsprechendes Förderprogramm auch die im Zuge der „Verkehrswende“ erforderlichen Investitionen in die kommunale Radverkehrsinfrastruktur gewährleistet werden. Dabei geht es zum einen um den Neu- und Ausbau sowie die Sanierung der kommunalen Radverbindungen. Zum anderen könnte eine bessere Verknüpfung mit dem Öffentlichen Personennahverkehr durch die Finanzierung von Mobilitätsstationen, Fahrradmietstationen, Radabstellanlagen und Ladestationen für Elektrofahrräder erfolgen.

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Zum Gutachter: Professor Dr. Georg Hermes hatte von 1998 bis 2024 eine Professur für Öffentliches Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt a.M. inne. Er arbeitet seitdem als Rechtsanwalt bei W2K in Frankfurt/Oberursel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Infrastruktur- und Staatsorganisationsrechts
 

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