Berichterstattung Zukunftskongress von IG Metall Mitte & HESSENMETALL

Arbeit in der Industrie 4.0 - Chance für den Standort?

Zukunftskongress von IG Metall Bezirk Mitte & HESSENMETALL

27. September 2016

Auf dem gemeinsamen Zukunftskongress von IG Metall und Hessen diskutierten 200 Vertreterinnen und Vertreter von Betriebsräten und Unternehmen Chancen und Risiken der digitalen Veränderungen der Arbeitswelt.

»In diesem Zukunftskongress wollten wir als Tarifpartner eine offene Diskussion beginnen, Gemeinsamkeiten ausloten und über gegensätzliche Positionen streiten. Und mit der Politik ins Gespräch kommen, wie wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um die Chancen für den Standort bestmöglich zu nutzen«, waren sich die Gastgeber Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Mitte, und Wolf Matthias Mang, Vorsitzender des Arbeitgeberverbands HESSENMETALL, einig.

Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Bezirk Mitte: »Unser Zukunftskongress mit HESSENMETALL ist von großer Bedeutung. Industrie 4.0 ist interessengeleitet. Betriebsräte, Belegschaften und IG Metall werden sich einmischen und gestalten. Betriebsräte und Vertrauensleute müssen die Chancen und Risiken der Digitalisierung abschätzen können. Für uns sind Sicherung der Beschäftigung und gute Arbeitsbedingungen wichtig. Dafür brauchen wir bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten, intensivere berufliche Bildung und die klare Begrenzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten, es darf keine ausufernde Flexibilisierung geben.«

Anhand vier betrieblicher Fallbeispiele wurde dargestellt, wie sich Arbeit, Arbeitsbeziehungen, Tätigkeiten, Kompetenzen und der Produktivitätsfortschritt im Gefolge von Industrie 4.0 verändern. In der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al Wazir, DGB-Vorstand Stefan Körzell, Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander und HESSENMETALL-Hauptgeschäftsführer Volker Fasbender ging es um die tarifpolitischen und politischen notwendigen Rahmenbedingungen.

Zukunftskongress von IG Metall Bezirk Mitte & HESSENMETALL

Datum: 27.09.2016

Fotos: Gerd Scheffeler

Christiane Benner, 2. Vorsitzende der IG Metall

»Die Digitalisierung ist eine große Chance für Deutschland. Unsere Produkte sind innovativ und qualitativ hochwertig. Wir müssen die Beschäftigten bei den anstehenden Herausforderungen mitnehmen. Durch unsere starke Sozialpartnerschaft und die Mitbestimmung haben wir die richtigen Instrumente um den Wandel gemeinsam zu gestalten. Im Gegensatz zu Silicon Valley haben wir die Chance Entwicklung und Produktion an einem Ort zu bündeln. Damit das weiterhin möglich ist brauchen die Beschäftigten mehr Freiräume für Weiterbildung und berufsbegleitendes Lernen muss zur Normalität für alle werden. Arbeitsorte müssen zu Lernorten ausgebaut werden. Damit die starke Verzahnung von KMU und Großindustrie weiterhin ein Erfolgsfaktor bleibt, müssen wir die Innovationsfähigkeit stärken und mehr Entwicklung und Forschung betreiben. Wir haben eine gute Ausgangslage um die Herausforderungen zu gestalten. Wir müssen diese Herausforderungen jetzt anpacken. Nur so kann ‚Made in Germany‘ ein Qualitätssigel im 21 Jahrhundert bleiben.«

Jörg Köhlinger, Bezirksleiter IG Metall Bezirk Mitte

»Es ist wichtig, gemeinsam die Chancen und Risiken von Industrie 4.0 auszuloten. Industrie 4.0 ist jedoch keine Konsensmaschine, auch wenn wir hier und da Überschneidungen von Interessen haben. Es gibt eine Reihe von Konfliktlinien – beispielsweise bei den Arbeitszeiten. Flexibilität darf keine Einbahnstraße zulasten der Arbeitnehmer sein. Arbeitszeiten müssen grundsätzlich erfasst werden, sie müssen bezahlt werden, sie müssen planbar und beeinflussbar sein. Gute Arbeit zu guten tariflichen Bedingungen ist ein Schlüssel zum Erfolg. Der Wandel hin zur Industrie 4.0 braucht deshalb Mitbestimmung und tarifvertragliche Ausgestaltung. Wenn diese Voraussetzungen erreicht sind, sind wir ein gutes Stück weiter.«

Stefan Körzell, DGB Bundesvorstand

»Die Digitalisierung bringt für die Beschäftigten Chancen, aber auch Risiken. Den Chancen auf Entlastung von harter Arbeit stehen Risiken des Jobverlustes, einer Dequalifizierung und der Entgrenzung von Arbeit gegenüber. Damit die Chancen genutzt und die Risiken vermieden werden, braucht die Industrie 4.0 einen Ordnungsrahmen, der von der Politik, den Tarifparteien und den betrieblichen Akteuren gesetzt wird. Industrie 4.0 erfordert deshalb rechtliche Rahmensetzungen z.B. im Arbeits- und Gesundheitsschutz, eine Stärkung der Tarifautonomie mit starker Sozialpartnerschaft und eine Verbesserung der betrieblichen Mitbestimmung.«

Tarek Al-Wazir, Wirtschaftsminister Hessen

»Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Die Landesregierung will, dass alle Bürgerinnen und Bürger von ihr profitieren. Mit der Strategie Digitales Hessen wollen wir die Potenziale der Digitalisierung für mehr Lebensqualität und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung erschließen. Digitale  Technologien eröffnen Chancen, mit weniger Energie und Ressourcen mehr Wohlstand, mehr gesellschaftliche Teilhabe, eine bessere Gesundheitsversorgung und intelligente Mobilität zu schaffen. Die Landesregierung stellt im kommenden Jahr zusätzlich rund vier Mio. Euro bereit, um den digitalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft zu begleiten.«

Volker Fasbender, HESSENMETALL:

»Was wir heute noch als ‚Normalarbeitsverhältnis‘ verstehen – unbefristete Beschäftigung in Vollzeit mit einer 35-Stunden-Woche über die Gesamtdauer des Arbeitslebens – wird ergänzt werden durch anderen Formen von dann ‚normalen Arbeitsverhältnissen‘. Schon heute hat sich das Verständnis vom ‚normalen‘ Arbeitsverhältnis in der Bevölkerung gewandelt. Arbeitszeit und Arbeitsort sind für viele Arbeitnehmer weit weniger starr als früher. Und wir erleben heute schon einen Trend hin zu besserer Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Flexibilität ist von beiden Seiten gewünscht, damit aber auch von beiden Seiten gefordert – und braucht ein kluges Arrangement. Der Gesetzgeber muss – insbesondere beim Arbeitszeitgesetz – mehr Flexibilität ermöglichen. Diese muss von den Tarif- und Betriebsparteien ausgefüllt werden. Es wird mehr Mitbestimmung geben, aber nicht mehr Mitbestimmungsrechte. Die vorhandenen reichen aus, wie u.a. die Fallbeispiele zeigen.«

Oliver Zander, Gesamtmetall

»Zu Industrie 4.0 gehört auch Arbeit 4.0. Arbeit 4.0 bietet große Chancen. Die Digitalisierung erlaubt Unternehmen, schneller und besser auf Kundenwünsche reagieren zu können, dabei hohe Produktivitäts-steigerungen zu erzielen und sie schafft gleichzeitig den Beschäftigten einen zusätzlichen Freiraum, um Beruf und Privatleben noch besser miteinander verbinden zu können.«

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