24.10.2023 | Frankfurt am Main – In der ersten Rede nach ihrer Wahl hat die neue Erste Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, die Chancen des industriellen Wandels hervorgehoben, den Gestaltungsanspruch der IG Metall bekräftigt und die Politik in die Pflicht genommen. Das Verhalten mancher Arbeitgeber in der Transformation kritisierte sie scharf.
„Nicht alles bleibt so, wie es heute ist. Arbeitsplätze und Betriebe verändern sich. Rechnerisch geht der Wandel gut aus. Es gäbe genug Arbeitsplätze in der grünen Industrie,“ betonte Benner mit Blick auf den klimagerechten Umbau der Industrie und die Umbrüche durch Digitalisierung. Doch statt diese Chancen zu nutzen, machten es sich viele Arbeitgeber leicht und verlagerten Arbeitsplätze ins Ausland, kritisierte Benner. „Wer Arbeitsplätze einfach vernichtet, anstatt sich rechtzeitig Gedanken über Alternativen zu machen, treibt Menschen in die Perspektivlosigkeit. Diese schleichende De-Industrialisierung Deutschlands müssen wir stoppen“, so Benner in ihrem Zukunftsreferat auf dem 25. Gewerkschaftstag der IG Metall in Frankfurt am Main.
Benner zeigte sich überzeugt: Transformation bedeutet keineswegs automatisch den Abbau von Industrie, vielmehr entwickeln sich neue Märkte, Branchen und Geschäftsmodelle, machte sie am Beispiel der E-Mobilität deutlich. Dort entstünden neue Arbeitsplätze nicht nur bei den Automobilherstellen selbst, sondern auch in Batteriewerken, in der Kreislaufwirtschaft, beim Recycling oder bei der digitalen Steuerung von Mobilität. „Wir haben ein klares Ziel: Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat eine Perspektive verdient. Dafür werden wir kämpfen“, versprach Benner.
Um dieses Ziel zu erreichen fordert die IG Metall robustere Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere auch in Fragen der strategischen Ausrichtung der Betriebe und Unternehmen, etwa bei Personalplanung, Personalbemessung und Qualifizierung. „Wir brauchen erweiterte Rechte, die der Beschäftigungssicherung dienen und endlich einen erzwingbaren Interessenausgleich garantieren“, forderte Benner.
Diese erweiterte Mitbestimmung habe Wirkung weit über die Unternehmen hinaus und könne der zunehmenden Unsicherheit und Politikverdrossenheit entgegenwirken. „Mehr Demokratie im Betrieb führt zu mehr Demokratie in unserer Gesellschaft. Wer im Betrieb Demokratie wirksam erlebt, hat auch insgesamt eine positivere Einstellung zur Demokratie“, zeigte sich Benner überzeugt. Die Politik forderte sie auf, die Gesetze zur Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen an die neue Zeit anzupassen: „Die Welt dreht sich immer schneller. Deshalb ist Stillstand bei der Mitbestimmung in Wahrheit Rückschritt.“